Früher warnten einschlägige Reiseführer die Urlauber eindringlich vor dem Besuch von
Slums, Armenvierteln und Ghettos. Trotz aller Gefahren übte das Elend und die unvorstellbaren Lebensumstände aber auch eine große Anziehungskraft auf Touristen aus. Als Reaktion darauf entstanden die ersten Touren und Besichtigungsmöglichkeiten von Slums.
Viele Urlauber und Reisende suchen eine Kontrast-Erfahrung, sie wollen neben ihrem luxuriösen Urlaubsarrangement auch über den Tellerrand blicken und das "echte" Indien, Brasilien oder Südafrika kennenlernen. Heutzutage gibt es den sogenannten "Slumtourismus" bereits weltweit in ähnlichen Formen, von der
Favela-Tour in Rio de Janeiro, über Township-Besuche in Kapstadt, bis hin zu Rundgängen durch das Armenviertel Dharavi in Mumbai. Oftmals besteht das Besichtigungsangebot aus geführten Touren mit Kleinbussen oder zu Fuß, wobei man von Touren bzw. Stadtrundfahrten Abstand nehmen sollte, bei denen Urlaubsreisende in klimatisierten Luxusreisebussen im Stile einer "Armutssafari" quer durch das Elendsviertel gefahren werden. Zumindest sollten die Slumbewohner in irgendeiner Weise zu Wort kommen und von den Touristen profitieren können, beispielsweise durch Touren, die direkt von unabhängigen Besucherführern aus den Slums organisiert werden. Mit derartigen Slum-Führungen werden oftmals soziale Projekte in den Vierteln finanziert und der Tourist kann den Hilfe-Aspekt in den Vordergrund stellen und muss sich weniger als Voyeur fühlen. Nachfolgend einige Links zum Thema Slumtourismus, Favela-Touren bzw. Führungen durch Armenviertel.
Slumming |
Webseite zu einem Forschungsprojekt der Universität Osnabrück über den städtischen Armutstourismus im globalen Süden, d.h. zur Tourismusform des "Slummings" wie den Townshiptourismus in Kapstadt, die Favela-Touren in Rio/Sao Paulo oder auch den Slumtourismus in Mumbai, Bangkok, Manila, Nairobi, Mexiko City usw.
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Slumtourism Network |
Englischsprachige Seite rund um das Thema Slumtourismus, d.h. aktuelle Infos zum Thema und Tipps zu weltweiten Medienberichten die das Thema kritisch behandeln bzw. sich für einen verantwortungsvollen Tourismus in den Slums und den Bewohnern einsetzen. |
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Favela Tour |
In Rio de Janeiro gibt es zahlreiche Anbieter für Führungen durch "Favelas". Marcelo Armstrong vom Reiseveranstalter "Favela Tour" war einer der ersten der Touren durch die Elendsviertel der Stadt organisierte. Ein Rundgang durch das Viertel wird von Vorträgen über die Lebensumstände begleitet, man kann Kunsthandwerk kaufen und es werden soziale Projekte vorgestellt, die durch die Touren gefördert werden. |
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Favela Tourism Workshop |
Rejane Reis von Exotic Tours veranstaltet seit vielen Jahren touristische Führungen durch die Favela "Rocinha" in Rio de Janeiro. Bei diesen Touren werden Favelabewohner als Touristenführer eingesetzt bzw. auch angelernt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit selbstgemachte Gegenstände und Kunsthandwerk von den Favelabewohnern zu erwerben. |
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Rio Adventures Favela Tours |
Slum Tour durch die Rocinha-Favela, eines der größten Armutsviertel von Rio de Janeiro. |
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Camissa Township & Gospel Tours |
Verschiedene Township-Touren in Kapstadt (Südafrika) mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die Touren führen in die Elendsviertel Langa und Gugulethu, aber auch Robben Island steht auf dem Besichtigungsplan.
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Soweto Tours | Vhupo-Tours bietet Besichtigungen des Townships Soweto an. |
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Township Touren |
Berichte über viele unterschiedliche Township-Touren vom Kapstadtmagazin. |
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Kangemi Slum Tours | Slum Tour durch das Armenviertel Kangemi in Nairobi, Kenia. |
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Dharavi Slum Tours |
Reality Tours & Travel bietet Slum-Touren in Indien an, genauer gesagt führen die Touren durch das Elendsviertel Dharavi in Mumbai. Dharavi ist das größte Slum Indiens mit bis zu einer Million Menschen. Die Touren erfolgen zu Fuß und das Fotografieren ist aus Respekt vor den dort lebenden Menschen untersagt. Die Touristenführer, die zumeist selbst aus Armenvierteln stammen, führen die Touristen durch das Geschäfts- und Industrieviertel innerhalb Dharavis.
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Jakarta Hidden Tours | Jakarta Hidden Tours bietet touristische Führungen durch Kampung-Viertel an, d.h. die Armenviertel der indonesischen Hauptstadt Jakarta. |
Man kann natürlich vortrefflich darüber streiten, ob diese Tourismusauswüchse wünschenswert sind bzw. ob sie in irgendeiner Form etwas Positives bewirken. Ein wie auch immer gearteter Armutstourismus bleibt eine Gratwanderung zwischen Hilfe und Neugier. Und selbst wenn Slumtourimsus fast ausschließlich unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit stattfindet, so kann man zumindest den meisten Reiseveranstaltern und Touranbietern ein gewisses
soziales Engagement auch wirklich nicht absprechen. Darüber hinaus gefällt die Aufmerksamkeit und das öffentliche Interesse oftmals sogar den Bewohnern der Armenviertel. Sie fühlen sich wahrgenommen, soziale Projekte können durch die Tourismuseinkünfte gefördert werden und auch durch den Verkauf von Kunsthandwerk und regionalen Souvenirs können die Einwohner zum ersten Mal direkt vom Tourismus profitieren. Ebenso verändern Slum-Touren ein wenig die Vorurteile über den Ruf von Armenvierteln, die häufig nur mit Gewalt, Kriminalität und Armut in Verbindung gebracht werden.
Problematisch werden diese Formen des Elendstourismus erst dann, wenn die unerträglichen Lebensumstände durch die Urlauber bzw. die Touristenführer romantisiert werden und als Ausdruck einer Lebenskultur oder selbstgewählter Lebensweise verharmlost werden. Darüber hinaus sollte man wissen, daß Slum-Touristen immer auch ein wenig mit Zoobesuchern verglichen werden können, denn was beispielsweise eine kommerzielle Favela-Tour in Rio an Sicherheit gewinnt, verliert sie natürlich auf der anderen Seite an Authentizität. Denn letztlich kann niemand verleugnen, daß Rio und viele andere Metropolen mit Elendsvierteln ein Kriminalitätsproblem haben und
von spontanen Besuchen dieser Bezirke auf eigene Faust immernoch abzuraten ist.
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